Hessens Wähler sollen über die seit 69 Jahren immer noch entgegen Art. 102 GG grundgesetzwidrig in der hess. Landesverfassung verankerte Todesstrafe abstimmen, rechtswidriger und skurriler geht es nicht

Am 21-10.2018 schreibt die zumindest reichlich naiv erscheinende Spiegel-Redakteurin Anna-Sophie Schneider, Zitat:

„In Deutschland gibt es keine Todesstrafe – so steht es im Grundgesetz. Anders klingt das in der Landesverfassung von Hessen. Nun haben die Bürger das Wort.“

„Wenn in Hessen am 28. Oktober ein neuer Landtag gewählt wird, sind die etwa 4,4 Millionen Wahlberechtigten auch dazu aufgerufen, über eine Reform der Landesverfassung abzustimmen.“ (Quelle: Spiegel-online)

Dümmer geht es nimmer. Mag sein, dass in Hessen nur ein Volksentscheid über Änderungen der vom 01.12.1946 stammenden hess. Landesverfassung entscheiden darf, dem ist jedoch nicht so im Fall der mit dem Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes am 23.05.1949 gemäß Art. 102 GG abgeschafften Todesstrafe.

Fakt ist, dass gemäß Art. 31 GG Bundesrecht Landesrecht bricht, die hess. Bevölkerung kann sich de facto also gar nicht gegen Art. 102 GG entscheiden.

Fakt ist aber auch, dass die Alliierten Westmächte in ihrem vom 12.05.1949 stammenden Genehmigungsschreiben unter Ziff. 8 bezüglich des dann am 23.05.1949 in Kraft getretenen Grundgesetzes festgeschrieben hatten, dass Unstimmigkeiten zwischen einzelnen Landesverfassungen und dem Bonner Grundgesetz immer zugunsten des Bonner Grundgesetzes zu klären sind.

Sodann ist mit dem Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes am 23.05.1949 der Art. 21 der hess. Landesverfassung gemäß Art. 102 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG automatisch außer Geltung getreten und hätte längstens im Wege der redaktionellen Bereinigung des Verfassungstextes aus der hess. Landesverfassung ersatzlos getilgt werden müssen. Die hess. Bevölkerung hat keine ihr von Grundgesetzes wegen zugebilligte Entscheidungskompetenz über den Verbleib des Art. 21 hess. Landverfassung im Wortlaut seit dem 01.12.1946 bis zum 23.05.1949.

So einfach und wirkungsvoll ist Bonner Grundgesetz vom 23.05.1949 als die ranghöchste Rechtsnorm der Bundesrepublik Deutschland, wenn man sie als solche akzeptieren und auch anwenden würde, Zitat:

»Für den Bürger eines freiheitlichen Rechtsstaates gibt es im Grunde genommen keine wichtigere Informationsquelle als das Grundgesetz. Dort wird für das politische Handeln des einzelnen, der Parteien und der staatlichen Organe der gültige Rahmen gesetzt; dort wird mit den Grundrechten der freiheitliche Raum des Bürgers gesichert. Nur wer das Grundgesetz kennt, kann alle Chancen an freiheitlicher Mitbestimmung und politischer Mitwirkung nutzen, die unsere Verfassung uns allen anbietet.« Dr. Gustav Heinemann, Bonn, den 25.11.1970

Rechtsstaat auf dem Boden des Bonner Grundgesetzes trotzdem seit 69 Jahren – Fehlanzeige -.

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