Im Artikel 5 Abs. 1 Satz 3 des Bonner Grundgesetzes als der ranghöchsten Rechtsnorm der Bundesrepublik Deutschland heißt es inzwischen seit 62 Jahren wörtlich:
„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei„
In den Protokollen des parlamentarischen Rates als dem Konstrukteur des Bonner Grundgesetzes in den Jahren 1948/49 ist nicht ein einziger Hinweis bis heute zu entdecken gewesen, dass der Verfassungsgeber mit Blick auf die absolute Regelung dieses Freiheitsgrundrechtes, nämlich seine zwingende einfachgesetzliche Uneinschränkbarkeit, noch etwas anderes Gegenteiliges auch nur ansatzweise in seine Überlegungen hinsichtlich dieses die Freiheit des Einzelnen größtmöglich garantieren sollenden Grundrechtes als Abwehrrecht gegenüber dem Staat und seinen Institutionen in Erwägung gezogen haben könnte.
Im Bonner Kommentar zum Grundgesetz, kurz: Bonner Kommentar, Ausgabe 1956, hat Kurt-Gerorg Wernicke sich als damals erster Kommentator des Bonner Grundgesetzes überhaupt und ehemaliger Chefprotokollant des parlamentarischen Rates über den Willen des Verfassungesetzgebers hinsichtlich des im Art. 5.3.1 GG statuierten Freiheitsgrades wie folgt geäußert:
„Art. 5 spiegelt den Stand des Kampfes um die Freiheit der geistigen Wirklichkeit wieder. Der betont freiheitliche demokratische Charakter der Grundrechte zeigt sich hier in der eindeutigen Stellungnahme gegen jeden geistigen Terror und jede Standardisierung der Meinungen.“
„Zur Freiheit der geistigen Wirksamkeit gehören auch die Freiheiten des Abs. III, denn der schöpferische Menschengeist manifestiert sich in der Kunst, Wissenschaft und Forschung. Hier von einer institutionellen Garantie zu sprechen, erscheint abwegig, da diese keinen größeren Schutz gewähren könnte als ein Grundrecht.“
„Während z.B. die Vf. Bay. (1946) in Art. 108, 98 und die Vf. W.-B. ( 1936) in Art. 12 die Schranken näher umschreiben und damit die in der Weimarer Zeit über die Auslegung des Art. 142 WRV bestandenen Streitfragen vermeiden, ist die in Abs. III Satz 1 BGG statuierte Freiheit, sofern man von den für die Lehrfreiheit geltenden Bestimmungen des Satzes 2, sowie von denen des Art. 18 absieht, dem Wortlaut nach unbegrenzt. Dass aber der Verfassungsgeber hiermit für die Kunst, Wissenschaft und Forschung keineswegs eine absolute, nicht mal an die allgemeinen Strafgesetze gebundene Freiheit aufrichten wollte, ist eine Selbstverständlichkeit. Zur Frage der zulässigen Beschränkungen kann im wesentlichen auf die Bemerkungen zu Art. 2 Satz 1 verwiesen werden. Dabei darf aber nie außer acht gelassen werden, dass die Freiheiten des Abs. III Satz 1 grundsätzlich uneinschränkbar sind. Jede einschränkende Maßnahme o.ä. unterliegt daher einer besonders strengen Prüfung hinsichtlich der Frage ihrer Zulässigkeit. Die Bestimmung richtet sich wie die des Abs. I ausschließlich an die öffentlichen Gewalten.“
1954 hatte das Bundesverwaltungsgericht sich bereits zur Freiheit der Kunst gemäß Art. 5.3.1 GG verbindlich geäußert, indem es in seiner „Sünderinnen-Entscheidung“ ausgeführt hat:
Die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit der Kunst unterliegt nicht den Schranken der polizeilichen Generalklausel. Sie finden jedoch dort ihre Grenze, wo ihre Inanspruchnahme ein anderes Grundrecht verletzen oder Rechtsgüter, die für den Bestand der staatlichen Gemeinschaft notwendig sind, gefährden würde.
Nach dieser Vorschrift sind Kunst, Wissenschaft, Lehre und Forschung frei. Diese Freiheit ist nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 GG, abgesehen von der in Satz 2 vorgeschriebenen Bindung der Lehre an die Treue zur Verfassung, unbegrenzt. In entsprechender Weise hatte Art. 142 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung bestimmt: „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.“ Auch die Weimarer Verfassung hatte in Art. 142 dieser Freiheit keine Schranken gesetzt,[…] Denn da Art. 5 Abs. 3 GG seinem Wortlaut nach die Freiheit der Kunst ohne Einschränkungen gewährleistet, bedarf jede Auslegung, die die nach dem Wortlaut unbegrenzt gewährleistete Freiheit beschränkt, der sicheren Rechtsgrundlage. „Zu vermuten ist die Freiheit, nachzuweisen die Unfreiheit“ (Kitzinger a.a.O. S. 450). Nun ergibt aber die Geschichte des Kampfes um die Freiheitsrechte im vorigen Jahrhundert, dass dieser Kampf für die Freiheit der Kunst und Wissenschaft geführt worden ist gegen die Übergriffe durch eine Staatsgewalt, die ihre Aufgabe im Sinne jenes Polizeirechts auffasste, das seinen klassischen Ausdruck in § 10 II 17 des Allgemeinen Landrechts gefunden hatte (vgl. Kitzinger a.a.O. S. 479). Wenn der Verfassungsgesetzgeber von 1919, der diese freiheitlichen Ideen wieder aufnahm und weitgehend in der Weimarer Verfassung verwirklichte, im Gegensatz zu ihnen Kunst und Wissenschaft der polizeistaatlichen Kontrolle hätte unterwerfen wollen, so hätte er dies klar zum Ausdruck gebracht. Einen darauf gerichteten Willen dem Verfassungsgesetzgeber von 1919 ohne weiteres zu unterstellen, würde dem Sinn der Weimarer Verfassung widersprechen. Erst recht kann ein solcher Wille dem Grundgesetzgeber nicht unterstellt werden; denn das Grundgesetz bezweckt in seinem grundrechtlichen Teil gerade auch den Schutz des einzelnen vor einer übermäßigen Ausdehnung der Staatsgewalt. Eine Beschränkung der durch das Grundgesetz gewährleisteten Freiheitsrechte kann deshalb nur insoweit für zulässig gehalten werden, als es der Grundgesetzgeber ausdrücklich bestimmt hat. Weitergehend als die Weimarer Verfassung bindet das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 3 Gesetzgebung und Verwaltung an die institutionelle Garantie der Grundrechte. Nach Art. 19 Abs. 1 GG kann ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes nur eingeschränkt werden, soweit dieses im Grundgesetz selbst vorgesehen ist. Es würde dem Sinn der Art. 1 Abs. 3 und 19 Abs. 1 GG widersprechen, eine solche Einschränkung im Wege der Auslegung nachzuholen. Zwar behandelt das Grundgesetz in dem gleichen Art. 5 in Abs. 1 die Freiheit der Meinungsäußerung, die es in Abs. 2 den Schranken der allgemeinen Gesetze unterwirft, und in Abs. 3 die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, für die nach dem Wortlaut des Grundgesetzes solche Schranken nicht bestehen. Aber die lediglich „redaktionelle Addition“ der Freiheit der Meinungsäußerung und der Freiheit von Kunst und Wissenschaft im Rahmen des Art. 5 GG darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß Wissenschaft und Kunst eindeutig nicht unter den in Abs. 2 für die in Abs. 1 gewährleisteten Rechte der freien Meinungsäußerung, der Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film angewandten Begriff „diese Rechte“ fallen (so Köttgen a.a.O. S. 312; a. M. offenbar Wernicke im Bonner Kommentar zu Art. 5 II 3 c). Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ergibt nichts darüber, daß der Grundgesetzgeber etwas Gegenteiliges gewollt hätte. Für die Auffassung, daß der Grundgesetzgeber die Freiheit von Kunst und Wissenschaft nicht generell an die Schranken der allgemeinen Gesetze binden wollte, spricht demnach nicht nur die Tatsache, daß er trotz der Meinungsverschiedenheiten, die über die Auslegung des Art. 142 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung bestanden hatten, von einer ausdrücklichen Einschränkung der Freiheit von Kunst und Wissenschaft abgesehen hat, sondern auch die Systematik des Grundgesetzes, in der der Art. 5 Abs. 3 über die Freiheit von Kunst und Wissenschaft hinter die die freie Meinungsäußerung behandelnden Absätze 1 und 2 gestellt ist. Dafür spricht schließlich der sonst überflüssige Satz 2 in Abs. 3, wonach die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung entbindet. Darüber hinaus entspricht es dem freiheitlichen Gehalt des Grundgesetzes, dass es Kunst, Wissenschaft, Lehre und Forschung von der im obrigkeitsstaatlichen Denken verhafteten Kontrolle im Sinne des Polizeirechts freigestellt hat. Der Senat vertritt deshalb die Ansicht, dass die Freiheit der Kunst nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht den Schranken der allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, besonders nicht der polizeilichen Generalermächtigung, unterliegt. Das bedeutet jedoch nicht, daß für die Freiheit der Kunst überhaupt keine Schranken beständen. Wie der Senat in anderem Zusammenhang ausgesprochen hat (Urteile vom 15. Dezember 1953 [BVerwGE 1, 48] und vom 10. März 1954 [BVerwGE 1, 92]), darf ein Grundrecht nicht in Anspruch genommen werden, wenn dadurch ein anderes Grundrecht verletzt wird oder Güter, die für den Bestand der staatlichen Gemeinschaft notwendig sind, gefährdet werden (so offenbar auch von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, S. 68 Anm. 8 Abs. 2 zu Art. 5 GG).
Am 14. Februar 1971 konkretisierte das BverfG die vorbehaltlose Kunstfreiheitsgarantie in seiner als „Mephisto-Entscheidung“ in die Rechtsgeschichte eingegangene Entscheidung mit Bindewirkung aller Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie aller behörden und Gerichte. In den Leitsätzen heißt es verbindlich:
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine das Verhältnis des Bereiches Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm. Sie gewährt zugleich ein individuelles Freiheitsrecht.
Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft nicht nur die künstlerische Betätigung, sondern auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks.
Für die Kunstfreiheit gelten weder die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG noch die des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG.
Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft in gleicher Weise den „Werkbereich“ und den „Wirkbereich“ des künstlerischen Schaffens. Beide Bereiche bilden eine unlösbare Einheit. Nicht nur die künstlerische Betätigung (Werkbereich), sondern darüber hinaus auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks sind sachnotwendig für die Begegnung mit dem Werk als eines ebenfalls kunstspezifischen Vorganges; dieser „Wirkbereich“, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird, ist der Boden, auf dem die Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG vor allem erwachsen ist. Allein schon der Rückblick auf das nationalsozialistische Regime und seine Kunstpolitik zeigt, daß die Gewährleistung der individuellen Rechte des Künstlers nicht ausreicht, die Freiheit der Kunst zu sichern. Ohne eine Erstreckung des personalen Geltungsbereichs der Kunstfreiheitsgarantie auf den Wirkbereich des Kunstwerks würde das Grundrecht weitgehend leerlaufen.
Sinn und Aufgabe des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist es vor allem, die auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden, von ästhetischen Rücksichten bestimmten Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen von jeglicher Ingerenz öffentlicher Gewalt freizuhalten.
Insoweit bedeutet die Kunstfreiheitsgarantie das Verbot, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestaltungsraum einzuengen, oder allgemein verbindliche Regeln für diesen Schaffensprozess vorzuschreiben.
In Anbetracht der Tatsache, dass der einfache Gesetzgeber es seit 62 Jahren unterlassen hat, die überwiegend aus der nationalsozialistischen Terrorzeit stammenden Steuergesetze den zwingenden Gültigkeitsvorschriften des Bonner Grundgesetzes durch gesetzgeberische Anpassung endgültig zu unterwerfen, wurde bis heute die Vorschrift des § 18.1.1 EStG, vormals wortgleich mit § 18.1.1 EStG vom 16.10.1934, in seiner Formulierung „wissenschaftliche, künstlerische“ trotz Kollision mit dem ranghöheren absoluten Freiheitsgrundrecht gemäß Art. 5.3.1 GG und ihrem Untergang wegen Unvereinbarkeit mit dem Bonner Grundgesetz mit dem Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes am 23.05.1949 bisher nicht aus dem Einkommensteuergesetz gestrichen, so dass die bundesdeutsche Finanzverwaltung, die nahezu 1:1 aus der nationalsozialistischen Finanzverwaltung hervorgegangen ist, diese nichtige einfachgesetzliche Vorschrift des Einkommensteuergesetzes bis heute als Ermächtigungsgrundlage für ihre grundgesetzwidrigen Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide benutzt, um Einkünfte aus freischaffender künstlerischer Tätigkeit trotz des absoluten einfachgesetzlichen Eingriffsverbotes in die gemäß Art. 5.3.1 GG seit 62 Jahren grundgesetzlich garantierte Freiheit der Kunst gegen jedwede Eingriffe öffentlicher Gewalt in den „künstlerischen Werk- und Wirkbereich“ jedes freischaffender Künstlers, zu besteuern.
Einkünfte und Umsätze besteuern bedeutet nicht nur eine prozentuale Minderung des sog. Gewinns, sondern auch ein Streiten um die Anerkennung von sog. Betriebsausgaben zum Abzug. Und hier liegt der Eingriff in die absolute Freiheit der Kunst versteckt. Jeder Finanzbeamte / Betriebsprüfer und Finanzrichter wird hier in die Lage versetzt, grundgesetzwidrig eigenmächtig die geistige Wirksamkeit der absoluten Kunstfreiheitsgarantie durch das einfachgesetzlich normierte Anerkennen oder nachträgliche Nichtgewähren des Abzuges von sog. betriebsbedingten Ausgaben ( Kosten ) von der Einkommen- oder Umsatzsteuer jede Art von freischaffender Kunst systematisch aber auch individuell willkürlich zu manipulieren oder schließlich sogar gänzlich zu vernichten, scheinlegal.
Bleibt als Fazit im Jahr 70 nach dem Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes am 23.05.1949 als ranghöchste Rechtsnorm der Bundesrepublik Deutschland festzuhalten, dass aufgrund der nicht erfolgten zwingenden Unterwerfung der Steuergesetze sowie der bundesdeutschen Finanzverwaltung unter die verfassungsrechtlich verankerten Rechtsbefehle des Bonner Grundgesetzes die Freiheitsgrundrechte einschließlich des absoluten Kunstfreiheitsgrundrechtes wider die ausdrücklichen Absichten des Verfassungsgesetzgebers und des ausdrücklichen Wortlautes im Bonner Grundgesetzes verfassungswidrig leerlaufen.
Hier spiegelt sich die grundgesetzwidrig bereits 1951 versprochene „persönliche Unantastbarkeit“ (Straffreiheit) für diejenigen Finanzbeamten wieder, die vorsätzlich zugunsten des Staates gemäß § 353 StGB den einzelnen Bürger berauben und ausplündern und das rechtswidrig Erhobene nicht in die eigene Tasche, sondern ordnungsgemäß an die Staatskasse abführen.
Rechtsstaat auf dem Boden des Bonner Grundgesetzes auf Grund dessen seit 69 Jahren – Fehlanzeige -.