Expertise
zu der Frage:
„Kann die bundesdeutsche öffentliche Gewalt sich bei Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen nach Grundrechteverletzungen auf die Einrede der Verjährung berufen?“
Da die Ausgestaltung des für Grundrechtsverletzungen vom Bonner Grundgesetz unverbrüchlich garantierten Rechtsweges für diese öffentlich – rechtlichen Streitigkeiten von verfassungsrechtlicher Art gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz GG vor die ordentlichen Gerichte in Form von Organisations- und Ausführungsbestimmungen durch den einfachen Gesetzgeber seit dem Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes am 23.05.1949 fehlt, ist für den grundgesetzlich garantierten Anspruch auf Folgenbeseitigung durch Rückabwicklung nach Grundrechteverletzung auch keine Verjährungsregelung getroffen worden.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob der grundgesetzlich garantierte Anspruch auf Rückabwicklung nach Grundrechteverletzung überhaupt verjähren kann.
Bereits das Römische Recht kannte die Verjährung. Offenbar schon damals bestand der Wunsch, nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne den Rechtsfrieden automatisch wiederherzustellen, indem eventuell bestehende Ansprüche – welcher Art auch immer – als beseitigt angesehen werden.
Das mit der Verjährungsregelung verfolgte Ziel war es:
- den Berechtigten anzuspornen, seine Ansprüche möglichst rasch anzumelden und durchzusetzen, weil die gegebenenfalls erforderliche Beweisbarkeit in der Regel mit fortschreitender Zeit schwierig oder gar unmöglich wird und damit zu langwierigen Justizverfahren führt.
- den Verpflichteten von einer zeitlich unbefristeten Möglichkeit der Durchsetzung von Ansprüchen zu entlasten. Diese könnten im Fall zivilrechtlicher Ansprüche womöglich nicht mehr ihn, sondern seine Rechtsnachfolger treffen.
Diese Überlegungen gelten im Grundsatz bis heute und betreffen in erster Linie das zivilgerichtliche, aber auch das öffentlich – rechtliche Verfahren.
Der Rückabwicklungsanspruch des Grundrechteträgers nach Grundrechteverletzung gegen die öffentliche Gewalt ist ein Bestandteil des öffentlichen Rechts.
Da die unverletzlichen Grundrechte des Grundrechteträgers gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar geltendes Recht gegenüber der öffentlichen Gewalt bilden, hat der Rückabwicklungsanspruch nach Grundrechteverletzung des Grundrechteträgers Verfassungsrang und kann durch einfachgesetzliche Organisations- und Ausführungs-bestimmungen lediglich ausgestaltet werden.
Da der einfache Gesetzgeber es seit dem Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes am 23.05.1949 unterlassen hat, den Rückabwicklungsanspruch nach Grundrechteverletzung gegenüber dem Grundrechteträgers, der in Art. 19 Abs. 4 GG unverbrüchlich verankert ist, durch einfachgesetzliche Organisations- und Ausführungsbestimmungen auszugestalten, fehlt es auch an einer normierten Regelung bezüglich der Frage der Verjährung.
Da die Unverletzlichkeit der Grundrechte des Grundrechteträgers gemäß Art. 1 Abs. 3 GG allerhöchsten Verfassungsrang genießen und die öffentliche Gewalt in Gestalt des Gesetzgebers, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG unverbrüchlich als unmittelbar geltendes Recht binden, besteht für das Rechtsinstitut der Verjährung aus Gründen der Rechtssicherheit kein Raum. Der Rechtsfrieden ist im Bereich der unverletzlichen Grundrechte von Verfassungs wegen vom Grundrechteverpflichteten absolut einzuhalten und zwar dauerhaft.
Die Frage, ob sich die öffentliche Gewalt bei Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen nach Grundrechteverletzungen auf Verjährung berufen kann, ist nach allem uneingeschränkt zu verneinen. – Ende –
Rechtsstaat auf dem Boden des Bonner Grundgesetzes bis heute – Fehlanzeige -.