Der Normenkontrollantrag ist begründet. Das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 20. Juni 2002 – Zuwanderungsgesetz – (BGBl I S. 1946) ist mit Art. 78 GG unvereinbar und daher nichtig. Das Zuwanderungsgesetz bedarf wegen der in ihm enthaltenen Bestimmungen über das von den Behörden der Länder durchzuführende Verwaltungsverfahren gemäß Art. 84 Abs. 1 GG als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates. Hierfür fehlt es an der gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG erforderlichen Mehrheit der Stimmen des Bundesrates. Der Bundesratspräsident durfte die Stimmenabgabe für das Land Brandenburg nicht als Zustimmung werten (I). Da es an einer Zustimmung des Landes Brandenburg fehlte, vermochte auch die Feststellung des Bundesratspräsidenten nach Aufruf der weiteren Länder, der Bundesrat habe dem Gesetz zugestimmt, keine Rechtswirkung zu entfalten (II).
(BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 2002 – 2 BvF 1/02 –, BVerfGE 106, 310-351, Rn. 135)
An einer Zustimmung des Landes Brandenburg zum Zuwanderungsgesetz fehlt es, weil bei Aufruf des Landes die Stimmen nicht einheitlich abgegeben wurden (1). Die Uneinheitlichkeit der Stimmenabgabe Brandenburgs ist durch den weiteren Abstimmungsverlauf nicht beseitigt worden (2).
(BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 2002 – 2 BvF 1/02 –, BVerfGE 106, 310-351, Rn. 136)
Die Stimmen eines Landes werden durch seine Bundesratsmitglieder abgegeben. Wer aus dem Kreis dieser Vertreter die Stimmen eines Landes abgibt, bestimmen in der Regel die Vertreter selbst oder im Vorfeld einer Bundesratssitzung die jeweilige Landesregierung. Das Grundgesetz erwartet die einheitliche Stimmenabgabe und respektiert die Praxis der landesautonom bestimmten Stimmführer, ohne seinerseits mit Geboten und Festlegungen in den Verfassungsraum des Landes überzugreifen.
(BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 2002 – 2 BvF 1/02 –, BVerfGE 106, 310-351, Rn. 138)
- b) Die Stimmen eines Landes sind nach Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG einheitlich abzugeben. Die Stimmabgabe ist die Verlautbarung der Stimmen des Landes durch einen willentlichen Begebungsakt. Mehrere Stimmenabgaben der Bundesratsmitglieder eines Landes müssen übereinstimmen.
(BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 2002 – 2 BvF 1/02 –, BVerfGE 106, 310-351, Rn. 140)
Aus den eindeutigen Erklärungen der Bundesratsmitglieder Ziel und Schönbohm folgte, dass die Abgabe der Stimmen durch die Bundesratsmitglieder des Landes Brandenburg im Sinne des Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG uneinheitlich war. Dies hat der Bundesratspräsident zutreffend unmittelbar nach der Stimmenabgabe förmlich festgestellt (Plenarprotokoll 774, Stenografischer Bericht, S. 171 C).
(BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 2002 – 2 BvF 1/02 –, BVerfGE 106, 310-351, Rn. 141)
- 2. Durch den sich anschließenden Abstimmungsverlauf ist die Uneinheitlichkeit der Stimmenabgabe seitens des Landes Brandenburg nicht beseitigt und in ein einheitliches zustimmendes Votum umgewandelt worden. Der nachfolgende Abstimmungsverlauf ist nicht mehr rechtserheblich, weil er sich außerhalb der verfassungsrechtlich gebotenen Form des Abstimmungsverfahrens bewegte. In einem zum Gesetzgebungsverfahren gehörenden Abstimmungsverfahren vermag das formwidrige Verhalten das ihm vorangehende formgerechte nicht in seiner Rechtswirkung zu verändern. Der sitzungsleitende Bundesratspräsident hatte in diesem besonderen Fall kein Recht zur Nachfrage an Ministerpräsident Dr. Stolpe.
(BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 2002 – 2 BvF 1/02 –, BVerfGE 106, 310-351, Rn. 142)
- a) Der Bundesratspräsident durfte nach seiner Feststellung, dass das Land Brandenburg uneinheitlich abgestimmt habe, nicht das Bundesratsmitglied Dr. Stolpe fragen, wie das Land Brandenburg abstimme. Eine solche Frage bewegte sich außerhalb der mit dem Abstimmungsverfahren gewählten Form des Aufrufs nach Ländern und bedurfte deshalb der gesonderten Rechtfertigung, an der es hier fehlte.
(BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 2002 – 2 BvF 1/02 –, BVerfGE 106, 310-351, Rn. 143)
- Die unmittelbar nach dem im Protokoll verzeichneten Zwischenruf des Bundesratsmitglieds Schönbohm förmlich getroffene Feststellung des Bundesratspräsidenten, dass das Land Brandenburg mit „Ja“ abgestimmt habe (vgl. Plenarprotokoll 774, Stenografischer Bericht, S. 171 D), war fehlerhaft, weil ein einheitliches Abstimmungsverhalten Brandenburgs nicht vorlag. Die Abstimmung wurde nach dieser ungültigen Feststellung des Bundesratspräsidenten für das Land Brandenburg nicht wieder eröffnet. Auf Vorhaltungen aus dem Plenum formulierte der Bundesratspräsident lediglich folgende Frage: „Ich kann auch Herrn Ministerpräsidenten Stolpe nochmal fragen, ob das Land noch Klärungsbedarf hat.“ Dies war keine der Form der Abstimmung genügende Frage. Weder wurde das Land erneut aufgerufen noch auch nur ein einzelnes Mitglied um die Abgabe der Stimmen des Landes gebeten. Die auf die erneute bejahende Erklärung des Bundesratsmitglieds Dr. Stolpe folgende Aussage des Bundesratspräsidenten: „So, dann ist das so festgestellt“ bekräftigte lediglich die zuvor getroffene förmliche Feststellung einer Zustimmung des Landes Brandenburg (vgl. Plenarprotokoll 774, Stenografischer Bericht, S. 172 C). Dass Minister Schönbohm auf die Aussage von Ministerpräsident Dr. Stolpe seinerseits nicht noch einmal das Wort ergriff, um den fortbestehenden Dissens zu bekräftigen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Minister Schönbohms Schweigen kann weder ein rechtlicher Erklärungswert zugesprochen werden, noch gibt es eine Pflicht zum ungefragten Zwischenruf.
(BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 2002 – 2 BvF 1/02 –, BVerfGE 106, 310-351, Rn. 152 – 153)
Gleiches gilt für alle Gesetze und Rechtsverordnungen, die gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG sowie Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG seit dem 23.05.1949 verstoßen und zwar ausnahmslos, da es sich um die unmittelbares Recht gegen die öffentliche Gewalt bildenden unverletzlichen Grundrechte garantierende formelle Garantievorschriften handelt und zwar von ranghöchst wegen, die von der öffentlichen Gewalt unter gar keinen Umständen missachtet, hintertrieben oder außer Geltung gesetzt werden dürfen.
Vor diesem 70 Jahre währenden Faktum gilt es alle bundesdeutschen Gesetze und Rechtsvorordnungen sowie Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen auf den grundgesetzlichen Prüfstand zu stellen, weil nämlich bereits das erste Bundeswahlhesetz bereits gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen hat mit der Folge, dass es selbst ex tunc ungültig blieb und die auf diesem ungültigen basierende erste Bundestagswahl bereits nichtig gewesen ist mit allen weiteren sich daraus bis heute ergebenden grundgesetz- und rechtsstaatswidrigen Folgen.
Rechtsstaat auf dem Boden des Bonner Grundgesetzes sodann im Jahr 70 von Bundesrepublik Deutschland und Bonner Grundgesetz – Fehlanzeige -.